(Und an dieser Stelle nochmal den kompletten Artikel aus der WAZ!)
Gelsenkirchen. Auftakt für das Festival „Nah und Fern“: Gelungenes Start-Wochende im verwunschenen Garten hinter der Villa Dahlbusch in Gelsenkirchen.
Ein gepflegt verwilderter Garten, ein paar Bierbänke, ein Getränkestand und eine Bühne: Viel mehr bedarf es nicht für ein ganz außergewöhnliches, ganz ausgezeichnetes kleines Literaturfestival. Das auch im vierten Jahr seines Bestehens noch immer den Anschein eines Geheimtipps hat. Vielleicht macht gerade das den besonderen Charme des literarischen Kulturangebots „Nah und Fern“ im Metropolengarten Rotthausen aus. Das startete am Freitag vor kleiner Kenner-Kulisse mit einer großartigen Eugen-Roth-Revue.
Arbeiten des Münchner Lyrikers Eugen Roth standen im Mittelpunkt
„Ein Mensch…“, so beginnt eine Reihe heiter-nachdenklicher, tiefsinniger Gedichte. Kabarettist Frank Sauer, ein gebürtiger Berliner mit saarländischer Wahlheimat und, nach eigener Bekundung, „losem Mundwerk“, erzählte, gestaltete, schauspielerte und rezitierte diese Texte des bekannten, unverwechselbaren Münchener Lyrikers Eugen Roth (1895-1976) eindrücklich, kurzweilig und mit humorvoll-klugen Zwischenmoderationen. Er plauderte aus seinem eigenen Leben und aus dem des Dichters, schuf Beziehungen zwischen den Themen einst und heute, ordnete ein, schlicht: Er unterhielt.
Welchen Stellenwert das Literaturfestival im Süden der Stadt gleich im Schatten der prächtigen Villa Dahlbusch und rund um das historische und morbide anmutende Kutscherhaus heute längst hat, das betonte Bürgermeisterin Martina Rudowitz zur Eröffnung: „Die Bedeutung erkennt man nicht zuletzt an der Förderung durch das städtische Kulturreferat und den Landschaftsverband Westfalen-Lippe.“
Festival-Motto lautet auch diesmal: Umsonst und draußen
Denn das Programm, das Helmut Warnke, Vorsitzender der bürgerschaftlichen Initiative „Metropolengarten auf Dahlbusch“, auf die Beine gestellt hat, kann sich sehen und hören lassen. Und das wie immer draußen und bei freiem Eintritt.
Die Autorinnen und Autoren wechseln, das Bühnenambiente unterm blauen Zeltdach im Stile klassischen Gelsenkirchener Barocks bleibt. Dazu brennt auch diesmal wieder gemütlich die alte Stehlampe. „Herrlich“, staunt ein Besucher aus Herten, der das Festival zum ersten Mal besucht und begeistert ist - vom Programm und von der verwunschenen Gartenatmosphäre.
Heinz Erhard war der Wegbereiter der heutigen Comedians
Auch von der Vorstellung. Frank Sauer begegnete den Texten Eugen Roths bereits im Elternhaus: „Mit 17 Jahren las ist das komplette Roth-Buch. 40 Jahre später bringe ich es nun auf die Bühne.“ Der Band seines Vaters stammt aus dem Jahr 1939. Er hält ihn stolz in die Höhe: „Die Erstausgabe erschien 1935 und dieses ist bereits die 35. Auflage.“
Eugen Roth, eine Erfolgsgeschichte bis heute. Sauer hält ihn für den Vorläufer der heutigen Kabarettisten, „während Heinz Erhardt der Wegbereiter der Comedians war“. Der Erfolg des prominenten „Sprachwerkers“ liegt laut Sauer auch darin begründet: „Roth schaut uns tief in die Seele, er hält uns mit seinem Humor den Spiegel vor.“ Bis der Leser plötzlich merke: „Hoppla, das bin ja ich, über den ich gerade lache.“
Veranstaltungen an den Folgetagen waren besser besucht
Neben dem feinsinnig-ironischen, zeitlosen Humor Roths trägt auch der Kabarettist zu einigen munteren Lachern bei. Wenn es etwa um die Damenwelt geht: „Man sagt einer Frau immer, dass ihr das Kleid gut steht. Auch wenn es so aussieht, als sei es auf ihrem Körper notgelandet.“
Apropos Frauen und Literaturfestival: Samstag und Sonntag, übrigens beide Tage deutlich besser besucht als der Starttag, standen ganz im Zeichen der Künstlerinnen. Gleich drei Autorinnen lasen aus ihren Werken. Lisa Roy stellte ihr Buch „Keine gute Geschichte“ über die Suche nach Liebe, Familie und Identität vor. Vera Vorneweg stellte ihren Band „Kein Wort zurück“ vor und Elina Penner las aus „Nachtbeeren“. Die Gelsenkirchenerin Christel Würthen moderierte den Abend kenntnisreich, stellte die Autorinnenin Gesprächen vor. Die Buchhandlung Kottmann präsentierte zudem an einem Büchertisch alle Bände des Festivals. Wer Lust aufs Lesen bekommen hatte, konnte hier gleich zugreifen.
Ein Blick nach vorn: So geht das Festival „Nah und fern“ weiter
Fortgesetzt wird das Festival am Freitag, 23. August, um 14 Uhr mit einer Lesung, die dem Macher Helmut Warnke besonders am Herzen liegt. Autorin Kathrin Schocke stellt dann ihr Jugendbuch „Weiße Tränen“ vor, das Rassismus, Freundschaft und Liebe thematisiert. Der Eintritt ist frei.
Um 19 Uhr lädt Sanaz Zaresani zu einer literarischen Revue ein. Ein Höhepunkt erwartet das Publikum zum Abschluss am Sonntag, 25. August, 18 Uhr: Es lesen die Lyrikerinnen Lina Atfah und Safiye Can in einer Koperationsveranstaltung mit dem „Literaturgebiet.ruhr“.
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